“Newsrooming”

Die größte Oppositionspartei im Bundestag macht es vor.

Ihr zweiter parlamentarischer Geschäftsführer ist stolz auf die Inhalte, die seine Partei während des letzten Jahres produziert hat: die ungekürzten Reden aller ihrer Abgeordneten, die über Youtube der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden; Video-Interviews zu den Themen, über die die Presse nicht berichtet; im Magazinformat sollen die wichtigsten Ereignisse jeder Woche parteikonform zusammengefasst werden; des weiteren Porträtfilme, Dokumentationen und Features. Für die “Gegenoffensive” der größten Oppositionspartei im Bundestag – in Form eines eigenen Newsrooms – sind 20 Planstellen reserviert, bei deren Vergabe es allerdings etwas knirscht: es fehlen immer noch 4 oder 5 Leute. Und irgendwie kommt die Sache so richtig nicht in Gang. Aber, so der zweite parlamentarische Geschäftsführer, man habe es schließlich besonders schwer schon dadurch, dass man Trendsetter sei und auch in diesem Bereich ganz neue Wege beschreite.

Die größte Regierungspartei hat im selben Gebäude damit begonnen, räumliche Veränderungen ihrer Pressestelle vorzunehmen, um ebenfalls einen zentralen Newsroom einzurichten. Die Parteivorsitzende will darüber hinaus auch in der Parteizentrale einen Newsroom installieren.

Der kleinere Regierungspartner spricht schon seit Jahren über einen Newsroom und will diesen Sommer strukturelle Veränderungen in diese Richtung umsetzen. Ähnlich übrigens wie die kleinste Oppositionspartei, die auch kräftig an ihrer Kommunikationsabteilung schraubt.

Zu beobachten sind dabei mindestens zwei Tendenzen, die auf die meisten Parteien des deutschen Bundestags zutreffen.

Zum einen die Skepsis gegenüber der Presse und zum anderen eine Bemühung um Wahrnehmung im Internet und, im Besonderen, in den Sozialen Medien.

Bei den Sozialdemokraten fällt in diesem Zusamenhang der Begriff des Community Managements, für das in Zukunft dieselbe Person zuständig sein wird, die auch schon beim Spiegel und bei Bild diese Funktion innehatte.

Olaf Wittrock erwähnt in seinem Artikel, den er zu diesem Thema für die Zeitschrift “journalist” geschrieben hat, drei Begebenheiten, die charakteristisch für die veränderte Einstellung der Politik gegenüber der “Vierten Gewalt” seien.

So habe der Außenminister kürzlich nach einer Reise sein Statement zuerst in seinen persönlichen Instagram-Account eingesprochen und sich erst anschließend an die Presse gewendet.

Die größte Oppositionspartei berief Anfang Mai diesen Jahres eine “Konferenz der freien Medien” ein, zu der sie nur linientreue Blogger einlud; der Hauptstadtpresse wurde zu dieser Veranstaltung sogar der Zutritt verwehrt.

Und schließlich erwähnte die Parteivorsitzende der größten Regierungspartei ein Treffen, bei dem führende Persönlichkeiten der Partei im März über das Thema Migration diskutiert hätten. Ebenfalls unter Ausschluss der Presse, aber unter Beteiligung des parteieigenen Youtube-Kanals. Wir waren endlich mal Herr der Bilder und Töne und haben Nachrichten selbst produziert. Das ist moderne Kommunikation, wie wir sie in Zukunft häufiger betreiben werden, so die Generalsekretärin.

Burkhard Heinz
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