Presse und Qualität

Kann man einen Pressetext objektiv beurteilen? Kann man sagen, dass Berichterstattung gut oder schlecht ist?
In der Schweiz, ja. Und zwar seit 2016 alle zwei Jahre. Das 2018er Rating hat sich 21.000 Beiträge angesehen und Aussagen über deren Quellen gemacht. Dabei ist man folgendermaßen vorgegangen.


Bewertet wurden 2018 die 50 reichweitenstärksten Informationsmedien der Deutschschweiz und der Suisse romande in den Gattungen Presse, Radio, Fernsehen und Online. Zur Anwendung kamen zwei Verfahren: ein inhaltsanalytisches und ein demoskopisches in Form einer repräsentativen Umfrage, wodurch kommunikationswissenschaftliche (objektive) Qualitätsmessung und (inter-subjektive) Qualitätswahrnehmung durch das Publikum kombiniert und in einem Gesamtscore abgebildet werden konnten.

Während Qualitätsmessung im Printbereich für Verlage und Redaktionen immer mit einem besonderen Aufwand verbunden ist, ist sie im Onlinebereich Teil des täglichen Geschäfts. Denn der Aufruf eines Artikels durch den Leser und die Leserin erfolgt mittels Mausklick. Und die Summe von Klicks spiegelt Publikumsvorlieben wider, die direkt an Redaktion und Verlag übermittelt werden. Auf diese Weise entsteht eine Dynamik, die einerseits den meistgeklickten Artikel zum besten Artikel macht. Andererseits bestimmt damit Leserschaft darüber, welche Informationen wichtig und welche unwichtig sind.

Diesem rein quantitativen Qualitätsverständnis steht das qualitative Qualitätsverständnis des Journalismus (als fünfter Gewalt) insofern gegenüber, als dass hier die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Themen die Qualität des demokratischen Diskurses (mit-)bestimmt.

Angesichts des Umstands, dass die digitale Darbietung von Informationen in den letzten zwei Jahren zugenommen hat, ist es also nur natürlich, dass “15 der untersuchten 50 Informationsmedien in der Berichterstattungsqualität Qualitätspunkte eingebüsst” haben und nur 4 Medien sich verbessern konnten.

In der Tendenz kann festgestellt werden, dass die größten Qualitäts-Einbußen sich bei regionalen Abonnementszeitungen beobachten lassen, wo geringere Informationsvielfalt sowie weniger Einordnungsleistung durch geringere Hintergrundberichterstattung negativ auffallen.

Die Forscher und Forscherinnen finden im Sonntagsblick eine interessante, positive Entwicklung. Diese Wochenzeitung konnte ihren Berichterstattungs-Score gegenüber 2016 um 6 Punkte verbessern. Zurückgeführt wird das auf redaktionelle Veränderungen und die Ergänzung des verlagseigenen und redaktionsübergreifenden Newsrooms, wo “die Chefredaktion und ein Rumpfteam sich jeweils ab Donnerstag um personelle Ressourcen und Storys für den Sonntag balgen mussten”, durch ein eigenes Redaktionsteam.
Auch interessant, dass die Onlineausgabe von Le Matin – lematin.ch – gegenüber der Printausgabe sowohl beim auf inhaltsanalytischen Verfahren basierenden Rating wie in der Qualitätswahrnehmung durch Leser und Leserinnen mehr Punkte erreichte als die Printausgabe und sich in der Kategorie der Boulevard- und Pendlerzeitungen sogar als bestes Medium überhaupt qualifizieren konnte. Übrigens beinahme gleichauf mit dem auch in einer deutschen Ausgabe existierenden watson.ch.

Burkhard Heinz
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