Zwei Seiten

Mona Lisa

Bei der Medienbeobachtung werden nicht nur Medien beobachtet, es werden auch Kunden beraten und während eines laufenden Auftrags begleitet. Wir stehen dem Kunden gerne für Fragen und Antworten zur Verfügung und geben manchmal den ein oder anderen Hinweis oder wenden uns an den Kunden, wenn es im Lektorat mal Unklarheiten gibt.

Vor einiger Zeit habe ich etwas länger mit einem Kunden über einen Ausschnitt korrespondiert, in dem die vereinbarte Suchvorgabe einfach nicht zu finden war.

“Schicken Sie den Artikel bitte zurück. Sie bekommen ihn dann gutgeschrieben,” bat ich. Der Kunde, nicht auf den Kopf gefallen, legte den Artikel auf seinen Scanner und schickte ihn mir per E-Mail. Eine zugegebenermaßen sehr gute Kopie, an der es eigentlich nichts auszusetzen gab. Alles war gut zu sehen: der vollständige Zeitungsausschnitt mit Foto, Text und Überschrift, und das Mediendatenblatt mit allen die Quelle betreffenden Informationen.

Ich rief den Kunden an und sagte, dass wir unbedingt den Originalartikel benötigen. “Stecken Sie ihn kommentarlos in einen Umschlag. Ich weiß ja, worum es geht. Das Porto bekommen Sie selbstverständlich auch erstattet”. In den Ohren des Kunden mag sich das nach einer überflüssigen Prinzipienreiterei angehört haben. Was soll denn auch schon der Unterschied sein zwischen einer guten Kopie und dem Original? Aber “kommentarlos” und “Portoerstattung” sind zwei Vokabeln, die sich nicht danach anhören, als wolle man sich als Dienstleister unnötig wichtig machen.

Und der Grund dafür, dass die Kopie nicht reicht und es unbedingt das Original sein muss?

Der wichtigste Unterschied zwischen einer Kopie und dem Original ist der, dass bei einem kopierten Zeitungsausschnitt immer nur die Vorderseite berücksichtigt wird, während man beim Originalausschnitt auch noch eine Rückseite hat. Tatsächlich war es im vorliegenden Fall nämlich so, dass hier die Lösung des Problems lag. Der gelieferte Zeitungsausschnitt enthielt nämlich doch die Kundennennung, diese Nennung befand sich aber aufgrund eines Fehlers unsererseits auf der Rückseite des Ausschnitts.

Und das kam so:

Die Lektorin hatte die mit dem Kunden vereinbarte Suchvorgabe gefunden und korrekt markiert. Im “Schnitt” – einer Abteilung, wo die Zeitungen und Zeitschriften entsprechend den Markierungen auseinander geschnitten werden – hat die Cutterin zwar auch den markierten Zeitungstext richtig ausgeschnitten, aber nicht bemerkt, dass auf der Rückseite der besagten Zeitungsseite – exakt an der selben Stelle – ein zweiter, vollständiger Zeitungsartikel abgedruckt war, den die Cutterin, ohne sich dessen bewusst zu sein, nun ebenfalls aus der Zeitung ausgeschnitten hatte.

Als das perfekt sowohl auf Vorder- wie auf der Rückseite bedruckte Papier dann auf das Mediendatenblatt aufgezogen wurde, sind Vorder- und Rückseite einfach nur vertauscht worden. Der Kunde erhielt so zwar seinen Ausschnitt, aber, das muss ich zugeben, auf die denkbar ungeschickteste Weise.

Als der reklamierte Ausschnitt im Original bei mir ankam, schaute ich also auch auf die Rückseite und fand die Kundennennung sogleich.

Die Daten des Clippings wurden aktualisiert. Das Clipping wurde nun richtig herum auf das neu erstellte Mediendatenblatt aufgezogen. Die Berechnung wurde auf Null gesetzt und dem Kunden wurde Portogutschrift gemacht.

Natürlich habe ich ihn auch sofort angerufen und mich für die Unannehmlichkeiten entschuldigt. “Darauf hätte ich ja auch selbst kommen können”, sagte er mir. “Nein”, sagte ich, “uns hätte der Fehler nicht unterlaufen müssen”.

Wie gesagt, das ist jetzt schon einige Zeit her. Dem Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer hat dieser kleine Zwischenfall nicht geschadet.

Burkhard Heinz

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