Ferienspaß

Fehler macht (fast) jeder. Darüber zu schreiben interessiert nicht – selbst in Fb. Ausnahmen sind Fehler, die, weil sie Anlass zum Denken geben, künstlerischen Charakter haben. Am besten noch, wenn sie öffentlich begangen werden. In der Presse. So liegt grade eben ein Text aus dem Celler Kurier vor mir, in dem es heißt “Ferienpassaktionen 2014 starteten mit Spiel und Spaß”. “FerienPASSaktionen” könnte, denke ich mir, eine interessante Wortschöpfung sein, denn natürlich muss es nicht “FerienPASSaktionen” heißen, sondern “FerienSPASSaktionen”. Gebe ich aber “Ferienpass” in einer Suchmaschine ein, dann fördert der googelsche Algorithmus eine ganze Reihe von Einträgen hervor, die “Pass” – auch als FerienPASS – als eine Art Ausweis verstehen, mit dem man an solchen Veranstaltungen teilnehmen kann, die vor allem in der Ferienzeit für Kinder und Jugendliche organisiert werden. Und genau so verhält es sich auch bei dem Text des Celler Kuriers, der bei näherer Lektüre selbstverständlich auf “FerienPASSaktionen” besteht.
Wahre Kunst besteht eben doch vor allem in Selbsterkenntnis. Und nur die Rechtschreibprüfung auf meiner Seite zu haben, die “Ferienpassaktion” auch als fehlerhaft rot unterstreicht, ist wenig, aber grad genug, um zugeben zu müssen, dass ich der Blödmann bin.

Fortschritt

Der spanische Cellist Pablo Casals wurde einmal gefragt, warum er mit 90 Jahren immernoch regelmäßig übe. Seine Antwort: Weil ich Fortschritte mache.

Sommer

Im Sommer kommt es immer wieder vor, dass der Cursor sich selbständig macht. Zuerst läuft er einige kurze, vollkommen unberechenbare Strecken, deren Richtungswechsel stets durch sehr scharfe Winkel charakterisierbar sind. Dann verläßt er die flache Scheibe des Bildschirms und landet auf der Schreibtischlampe. Ich persönlich mag dieses Cursor-Fliegen-Verwechslungsspiel gar nicht.

Schwedenbombe

Die LK-Handeszeitung schreibt in ihrer heutigen Ausgabe, dass das österreichische Unternehmen

Niemetz am 17. Juni 2014 den ersten “Tag der Rettung der Schwedenbombe” beging, denn nach der nahtlosen Übernahme des insolventen Traditionsunternehmens durch die Heidi Chocolat AG sind im Jahr 2013 an diesem Tag die Schwedenbomben zum ersten Mal unter der neuen Leitung hergestellt worden.

Ich gebe zu, dass ich mich gefragt habe, was denn eine Schwedenbombe ist. Verräterisch war allerdings das Auftauchen des Wortes “Chocolat” im Text. Schwedenbombe konnte also nichts Böses sein. Schon die Bildersuche im Internet führte zu einem Aha-Erlebnis.

Niemetz Schwedenbomben Foto: Clemens Fabry

Public viewing

Im amerikanischen Englisch meint “Public Viewing” etwas ganz anderes als im Deutschen, so die Süddeutsche Zeitung heute. Man könne es nicht oft genug sagen: “public viewing” bringt man in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht mit nationalfarbig bemalten Menschen vor Großbildleinwän-den in Verbindung, sondern mit dunkel gekleideten Personen vor Särgen, denn das Begriffspaar meint hier nichts anderes als eine Leichenschau.

URL

Eigentlich müsste Hr. Dr. URL – die Abkürzung steht für Uniform Resource Locator und meint die Adresse einer Website –  wegen seines Nachnamens mindestens Berater des neuen Microsoft-Chefs in Sachen Internet oder Google-Vorstandsvorsitzender geworden sein. Ist er aber nicht. Laut heutiger Ausgabe der Fachpublikation Fleischwirtschaft wurde er “geschäftsführender Direktor der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA)”. Mit Vornamen heißt der Mann übrigens Bernhard. Und sein Nachname ist tatsächlich keine Abkürzung.

Keks-Etymologie

Das Wort “Keks” ist eine Erfindung der Firma Bahlsen und geht auf die Eindeutschung des englischen Wortes “Cakes” zurück. Damit wollte Hermann Bahlsen das Gebäck “salonfähig” machen, so schreibt heute u.a. die Welt. Der Enkel des Firmengründers ist jetzt mit 86 Jahres gestorben.

Leer

Zugegeben: Witze über Ostfriesen gehören in die Zeit als das Internet noch nicht existierte. Gibt es da einen Zusammenhang den ich nicht verstehe? Führt die Domain www.ostfriesenwitze.de deshalb zu einer Website, wo ausgerechnet Werbung für Kaffeevollautomaten gemacht wird, weil in Ostriesland mehr Tee getrunken wird nirgendwo sonst auf der Welt – wenn man Wikipedia glaubt.

Nackt

Zitat: “Nachdem Le Corbusier die Sängerin und Tänzerin Josephine Baker 1929 nackt gezeichnet hatte, forderte er ‘neue Bauwerke aus dem Geist ihres Tanzes’! Charles-Édouard Jeanneret-Gris – so Le Corbusier mit bürgerlichem Namen – war einer der bedeutendsten und einflussreichsten Architekten des 20. Jahrhunderts.” (Financial Times Deutschland 14.09.2011)

Zwei Seiten

Dieser Tage habe ich etwas länger mit einem Kunden über einen Ausschnitt korrespondiert. In dem besagten Ausschnitt kam die vereinbarte Suchvorgabe einfach nicht vor. “Schicken Sie den Artikel bitte zurück, Sie bekommen ihn dann gutgeschrieben,” habe ich gesagt. Was lag näher, als dass der Kunde den Artikel auf seinen Scanner legte und ihn mir per E-Mail zukommen ließ – eine sehr gute Kopie, an der ich eigentlich überhaupt nichts auszusetzen hatte. “Wir benötigen den Originalartikel”, musste ich zurückmailen, “Sie bekommen Ihr Porto natürlich auch erstattet”. 

Was will mediatpress® denn mit dem Papierausschnitt?, mag sich der Kunde gefragt haben. 

Auf der Kopie war wirklich alles gut zu sehen: der vollständige Ausschnitt mit Foto, Text und Überschrift, und das Medienblatt mit allen Veröffentlichungsdaten und allen internen Zahlen-Codes, die in Fällen einer Reklamation verständlicherweise etwas genauer unter die Lupe genommen werden. Aber, wie gesagt, dafür war die Kopie allemal genauso geeignet wie das Original. 

Aber trotzdem gibt es einen Unterschied zwischen der Kopie und dem Original. Es geht dabei nicht um, sagen wir mal, “zeichentheoretische Aspekte”. Es geht um so etwas simples wie die Vorder- und Rückseite eines bedruckten Sücks Papier. Denn genau lag der Grund für die Reklamation: der für den Kunden bestimmte Zeitungstext befand sich nämlich nicht, wie es sich gehört, auf der Vor-, sondern, für den Kunden nicht sichtbar, auf der Rückseite des Ausschnitts. 

Die Lektorin hatte die mit dem Kunden vereinbarte Suchvorgabe gefunden und korrekt markiert. Im Schnitt – hier werden die Zeitungen und Zeitschriften den Markierungen folgend auseinander geschnitten – hat die Cutterin zwar auch den markierten Zeitungstext richtig ausgeschnitten, aber nicht bemerkt, dass auf der Rückseite der besagten Zeitungsseite – exakt an der selben Stelle – ein zweiter, vollständiger Zeitungsartikel abgedruckt war, den die Cutterin, ohne es zu wissen, ebenfalls aus der Zeitung herausgeschnitten hatte. Als das perfekt sowohl auf Vorder- wie auf der Rückseite bedruckte Papier dann auf das Medienblatt – hier befinden sich alle Erscheinungsdaten wie Quelle, Datum, Auflage…. – aufgezogen wurde, sind Vorder- und Rückseite vertauscht worden und der Kunde erhielt seinen Ausschnitt ohne ihn wahrnehmen zu können. 

Als der reklamierte Ausschnitt bei mir ankam, brauchte ich also nur noch das Clipping vom Medienblatt abzulösen, ein neues Medienblatt zu erstellen, das Clipping umzudrehen und neu aufzuziehen, die Berechnung des Ausschnitts auf Null zu setzen und mich beim Kunden für die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen.

Suppenwürfel

“Suppen-Hersteller Zamek stellt Insolvenzantrag”, so meldet heute u.a die Westdeutsche Allgemeine Zeitung. Und läßt dabei nicht unerwähnt, dass der heutige Mehrheitsgesellschafter Bernhard Zamek ein Enkel des gleichnamigen Firmengründers und – jetzt kommt es – Erfinder des Suppenwürfels ist.

Und?

Was ist der Unterschied zwischen der Redaktion der Südthüringer Zeitung Bad Salzung aus Thüringen und der Redaktion der Badischen Zeitung Ettenheim aus Baden-Württemberg? In beiden Medien hat man unterschiedliche orthographische Vorstellungen. Die von DPA verbreitete Meldung wird in der Südthüringer Zeitung “Apps helfen beim Hobbygärtnern beim Säen, Gießen, Ernten” betitelt, während die Badische Zeitung in Kleinschreibung titelt “Apps helfen beim Hobbygärtnern beim säen, gießen, ernten”. In der an die Redaktionen versendeten DPA-Meldung war leicht abgewandelt zu lesen gewesen “Säen, gießen, ernten: Mit diesen Apps blühen Hobbygärtner auf”. Und? Redaktionelle Freiheit?

Arbeit

Wenn ein neuer Kunde eine Medienbeobachtung in Auftrag gibt, wird er in der Regel gefragt, ob es einen kleinen Text gibt, der beschreibt, worum es bei dem, wonach wir suchen sollen, geht. Das soll den Blick der Lektorinnen und Lektoren etwas schärfen, denn es kann ja nicht darum gehen, eine Nadel im Heuhaufen zu suchen. Der Kunde kommt diesem Wunsch in aller Regel gerne nach.
Die Ergebnisse, die die Lektoren finden, gehen alle noch einmal über meinen Tisch. Im Schnelldurchgang versuche ich – soweit möglich – Fehler aufzuspüren und zu korrigieren. Manchmal enthält ein Text die notierte Suchvorgabe gar nicht, manchmal ist die Quellenangabe unzureichend. Der Kunde wird mit diesen Unzulänglichkeiten nicht belästigt, wenn ich meine Arbeit gut mache.
Nun liegt gestern plötzlich ein kurzer Text vor mir, in dem es um einen Bankraub geht. Nein, weiß ich, weder die Polizeibehörde noch die genannte Bank sind Kunden. Ich will den fraglichen Ausschnitt schon fast wieder zurückgeben, als mein Blick, wie durch Zufall, auf das Foto der Überwachungskamera fällt. “Wer kennt diese Person?”, wird dort gefragt. Die Person kenne ich nicht, aber das Logo auf der Jacke fällt mir auf.
Den Medienbeobachtungsauftrag des besagten Kleidungsherstellers habe ich damals, glaube ich, sogar selbst entgegen genommen. Von einem Schwerpunkt “Arbeitskleidung” war die Rede. Daran erinnere ich mich. Den Begriff “Arbeit” aber so weit auszulegen, wäre mir im Traum nicht eingefallen. Wäre ich Lektor, ich hätte das bekannte Logo mit dem Vogel glatt übersehen.

In Kürze

Nicht alles, was in Zeitungen steht, ist gut. Manchmal ist es die Form, an der es fehlt, manchmal der Inhalt. Manchmal bedingt eins das andere.
So berichtet die vor mir liegende Sonntagszeitung auf der ersten Seite von einem Brand in einer Flüchtlingsunterkunft in Hamburg, bei dem drei Menschen ums Leben gekommen sind. Ein 13 Jahre alter Junge soll die Tat begangen haben, so die Meldung der Deutschen Presse Agentur. Der besagte Zeitungstext endet mit einem Zitat des SPD-Innensenators: “[Das] hat mich mehr als erschrocken und wütend gemacht…, dass offenbar ein 13-Jähriger, der sich gerade einer Jugendfeuerwehr angeschlossen hat, den Brand verursachte.”
Soweit die etwas zu kurze journalistische Auslassung.
Frage: Was veranlasst die Deutsche Presse Agentur zu dem angeführten Zitat, in dem ein Innensenator Entsetzen NICHT über den Tod einer Frau und ihrer sechs- und siebenjährigen Kinder ausdrückt, sondern über den guten Ruf der Jungendfeuerwehr schwadroniert? Antwort: Die Deutsche Presse Agentur (DPA) meldet das Wichtige und läßt das Unwichtige weg. Wichtig ist die Sorge um die Hamburger Jugendfeuerwehren und ihr guter Ruf; unwichtiger der erneute Tod von drei Personen in einer Flüchtlingsunterkunft.
Herr Michael Neumann ist aber so ganz unfair nicht zitiert worden. Auf seiner Website mit der etwas herrschaftlich klingenden Internetadresse neumann-hamburg.de gibt es einen ganzen Abschnitt, der den großen Titel “Erschrocken & wütend” trägt. Hier heißt es denn auch über die Brandstiftung, die den Hamburger Innensenator erschrocken und wütend gemacht hat :”Erschrocken, weil ich mir die Frage stelle, wie ein junger Mensch eine solch schreckliche Tat begehen kann.” Absatz, und weiter. “Wütend deshalb, weil unsere Freiwilligen Feuerwehren mit ihren Jugendfeuerwehren, die tagtäglich Großartiges für die Sicherheit der Hamburgerinnen und Hamburgern leisten.” Abatz, und noch weiter. “Deshalb sind die Jugendfeuerwehren auch zurecht in 2013 für ihre vorbildliche Arbeit mit dem Deutschen Nationalpreis (sic) ausgezeichnet worden.” Und der Innensenator ist deswegen wütend, nicht, weil seine Behörde es wieder einmal nicht geschafft hat, Menschen zu schützen, sondern weil ein 13-jähriges Mitglied der Hamburger Freiwilligen Feuerwehren nun den “Deutschen Nationalpreis” entehrt hat.
Ich schlage die DPA und Michael Neumann für den DEUTSCHEN NATIONALpreis 2014 vor, weil sie für die deutschen Leser und Deutschland unerschrocken zu unterscheiden wissen zwischen dem, was wichtig, und den andern, die unwichtig sind.

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