"Medienbeobachtungen"

  • A Beautiful Mind

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    John Nash erhielt 1994 den Nobelpreis für Wirtschaft. Er war Mathematiker und schizophren. In dem Film A Beautiful Mind erzählt Ron Howard das Leben dieses Mannes. 2001 erhält der Film vier Oskars, unter anderem für die beste Regie.

    Es gibt immer wieder Filme und Bücher, in denen das Sammeln oder Auswerten von Medien behandelt wird. Ist man Medienbeobachter dann schaut man auf künstlerische Erwähnungen dieses Metiers mit besonderem Interesse. In A Beautiful Mind gibt es mindestens zwei Szenen, die in diesem Zusammenhang besonders erwähnenswert sind. Kurioserweise bedient sich der Regisseur dabei einer Kenntnis von der Arbeit eines normalen Lektors (die eigentlich niemand hat), der er aber durch bewusste Übertreibung etwas Wahres abringt: denn was man zu sehen bekommt, kann nicht das Werk eines NORMALEN Lektors sein.
    Erzählerisch macht Ron Howard im ersten Teil des Films den Zuschauer und den Protagonisten in ihrer jeweiligen Wahrnehmung der Realität zu Komplizen. Sowohl John Nash wie wir wissen nicht, mit was genau wir es zu tun haben: mit einer individuell halluzinierten Wahnwelt oder einer allgemein zugänglichen Wirklichkeit. Diese Komplizenschaft aber wird in den besagten Szenen aufgekündigt; der Zuschauer wird aus der kinematographischen Symbiose, die er mit dem Hauptdarsteller eingegangen war, herausgeworfen und der spätere Nobelpreisträger, interpretiert von Russell Crowe, bleibt um so einsamer zurück.

    In beiden Szenen ist es Alisha, die Frau des Matematikers, gespielt von Jennifer Connelly, die uns bei diesem Bruch begleitet. Der Ort in der ersten Szene ist ein Zimmer in der nordamerikanischen Princeton-Universität, wo John Nash im „Auftrag der CIA und des Pentagons“ arbeitet. In der zweiten Szene ist es ein heruntergekommener Schuppen in der Nähe des Wohnhauses der Familie; auch hier arbeitet Nash mit militärischer Unterstützung.
    Während die Bilder in Princeton der Ehefrau auf tragischste Weise vor Augen führen, wie es um die psychische Gesundheit ihres Mannes bestellt ist, illustrieren die Aufnahmen im Innern des heruntergekommenen Schuppens, Jahre nach Princeton, dass die bezwungen geglaubte Krankheit nach wie vor aktiv ist.

    Beide Male fährt die Kamera langsam zurück und zeigt einen vollkommen leeren Raum, dessen Wände von oben bis unten mit Zeitungs- und Zeitschriftenausschnitten beklebt sind, einer gar seltsamen Tapete, auf der Linien und Markierungen kein geheimes Kommunikations-Muster offenbaren, sondern den Realitätsverlust eines kranken Menschen.
    Es ist nur verständlich, dass ein durchschnittlicher Zuschauer nicht weiß, was genau ein Lektor, der beruflich Zeitungen und Zeitschriften auswertet, tut. Es ist aber doch erstaunlich, dass ein durchschnittlicher Zuschauer recht genau zu wissen scheint, was ein normaler Lektor eben NICHT tut.
    Anders würde A Beautiful Mind nicht funktionieren.

  • Tagesschau

    Wie sagt man, wenn man etwas gehört hat, das wahr ist? Wenn man es liest sagt man, dass es da und da stand, Schwarz auf Weiß. Ich glaube man sagt, dass man es mit den eigenen Ohren gehört hat. Mit wessen Ohren sollte man es denn auch sonst hören können? Aber das ist nicht wichtig. Auf jeden Fall habe ich es gehört. In der Tagesschau. Kurz vor dem Wetterbericht. Dass die Uhren diese Nacht um 2 Uhr um eine Stunde auf 3 Uhr vorgestellt werden. Künftig, so der Tagesschausprecher Thorsten Schröder wortwörtlich, bleibt es nun länger hell. Ich gebe zu, dass ich mir nicht für 2 Uhr nachts den Wecker gestellt habe, um unsere Uhren pünktlich vorzustellen. Heute morgen aber, direkt nach dem Frühstück, habe ich alle unsere Uhren um 3 Stunden vorgestellt, weil mir eine nachmittägliche Stunde mehr Licht einfach nicht reicht. Mal sehen, ob die Sonne jetzt tatsächlich so viel später untergeht als gestern. Gestern, bei der Tagesschau, war es jedenfalls schon dunkel. Heute wird also um dieselbe Zeit noch die Sonne scheinen. Und wenn es stimmt, dass es allein durch das Drehen an der Uhr länger hell bleibt, dann stelle ich unsere Uhren morgen noch einmal zwei Stunden vor. Das wird den Nachbarn zwar nicht gefallen, aber das Hemd ist einem nunmal näher als die Hose. 

  • Zeitung, facebook, twitter

    Wenn eine gute Zeitung wie ein gutes Restaurant ist, dann ist Facebook wie ein Fastfood-Lokal oder eine Dönerbude und Twitter wie der Weinfleck, die Krümmel auf dem Tischtuch oder die benutzte Serviette.

  • Durchsicht

    Bei der Durchsicht der für einen Kunden vom Lektorat zusammengetragenen Ergebnisse der Medienbeobachtung fällt mir ein doppelter, eine ganze Zeitungsseite einnehmender Artikel aus einer im Würzburger Raum erscheinen Tageszeitung auf: dieselbe Quelle, dieselbe Überschrift, dasselbe Layout, unterschiedliche Erscheinungsdaten. Kann das sein? Derselbe Artikel in derselben Zeitung an zwei aufeinander folgenden Tagen? Ich schicke den Artikel zurück an die Lektoratsleitung mit Bitte um Klärung. Weil aber die Zeit drängt, versuche ich die Sache parallel mittels eines Anrufs bei der Redaktion zu klären. Herr L. ist sehr freundlich. Vorkommen sollte das eigentlich nicht, aber er schaut gerne mal nach. Ich höre ihn blättern. Ja, sagt er, in der Ausgabe vom 24.11. sehe ich den Artikel. Er blättert wieder. Ja, Sie haben Recht, sagt Herr L., in der Ausgabe vom 25.11. sehe ich den Artikel auch. Und er erklärt: Wir kaufen den Mantelteil ein und haben keinen Einfluss darauf, was da veröffentlicht wird. So eine Dopplung sollte eigentlich nicht vorkommen, wiederholt er sich. Ich bedanke mich und sage der Lektoratsleitung Bescheid: falscher Alarm; die Lektoren haben alles richtig gemacht.

  • Sponsor

    An einem der letzten August-Wochenenden gab es eine große Sportveranstaltung in einem fernen Land. Wir wurden mit der Aufgabe betreut, den japanischen Hauptsponsor zu beobachten und dessen mediale Präsenz in Text und Bild zu dokumentieren. Das Problem seitens des deutschen Kontaktes war das beschränkte Budget. Dass man eine Medienbeobachtung nicht nach Erreichen eines bestimmten Betrags abbrechen kann, war nur schwer zu erklären und für den ausländischen Sponsor schlicht nicht nachvollziehbar. Trotzdem haben wir eine Lösung gefunden, die den Kunden zufrieden stellte. Ob da aber nicht auch etwas Glück im Spiel war, lassen wir an dieser Stelle mal unberücksichtigt.

  • Notbremse

    Seit einiger Zeit tragen wir bei mediatpress® die Ausschnitte für ein ausländisches Tourismusministerium zusammen, das eine deutsche PR-Agentur mit der Lancierung fremdenverkehrsfördernder Texte in Zeitungen und Zeitschriften beauftragt hat. Der Tenor: in X kann man einen schönen Urlaub verbringen. Am vergangenen Wochenende ist es nun zu einem furchtbaren Zwischenfall gekommen, der wieder einmal eine der Haupteinnahmequellen des besagten Landes gefährdet. Die Details sind bekannt. Wie verhält man sich aber als Medienbeobachter? Denn durch den Vorfall wird eine Lawine von Meldungen in Print-, Online- und audiovisuellen Medien losgetreten, die beim Kunden sehr viel Arbeit und sehr hohe Kosten verursachen kann. Ganz einfach: diese, durch einen außergewöhnlichen Vorfall generierten Texte, erhalten einen Vermerk und werden nur dann zugestellt und abgerechnet, wenn der Kunde dies wünscht. Kundenseitig ging aber bereits am Samstagmorgen eine entsprechende Mail ein, so dass heute morgen klar war, dass die am Wochenende zusammengetragenen Ergebnisse NICHT auch noch zu einem Problem für den Kunden werden sollten. Intern sprechen wir bei einem solchen kurzfristigen Stornierungsvorgang auch von einer Notbremse.

  • Und?

    Heute. Süddeutsche Zeitung. Karikatur, Seite 14: Mutter stellt Topf auf den Essenstisch. Sohn in Uniform kommt zur Türe herein. Mutter zum Sohn: „Und, wie war’s im Krieg? Hast du jemanden getroffen?“ (Autor: Denis Metz) 

  • Selfie

    Drei Lokalausgaben der in Nordrhein-Westfalen erscheinenden Neuen Rhein/Neuen Ruhr Zeitung (NRZ) veröffentlichen vor ein paar Tagen eine kleine Meldung, die sich auf ein Ereignis in einem privaten niederländischen Zoo bezieht. Ein mittlerweile auch bei youtube.com veröffentlichtes Video zeige, wie ein Schimpanse dem freien Flug einer Video-Drohne mit einem Stock ganz gezielt ein Ende bereitet. Nach dem Absturz hätten dann mehrere Affen einige Selfies aufgenommen, bevor es dem TV-Sender, der mit der Kamera-Drohne im Zoo Aufnahmen machen wollte, gelang, die Drohne wieder an sich zu nehmen. Der Veröffentlichung der Selfies auf der genannten Video-Plattform hat keiner der Affen widersprochen.

  • Regen

    Todesanzeigen lese ich eigentlich nicht, dem jetzt verstorbenen Filmschaffenden Helmut Dietl trauere ich nicht besonders nach und Karl Valentin fand ich persönlich irgendwie immer etwas überbewertet. Heute fällt mein Blick in der Süddeutschen Zeitung auf eine Todesanzeige von Helmut Dietl, in der Karl Valentin mit folgendem Satz zitiert wird: „Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch“. Genial! 

  • „Gewufft wie“

    Im Dortmunder U läuft seit einigen Wochen die Ausstellung „Arche Noah – Über Tier und Mensch in der Kunst“. So ganz spaßlos scheint es bei den Öffentlichkeitsarbeitern nicht zuzugehen, wie sonst wären sie nun auf die Idee gekommen, Tierhalter und Tierhalterinnen anzusprechen und sie einzuladen ihren Vierbeinern, um die es ja schließlich letztlich in der Schau geht, die Ausstellung zu zeigen. In den Medien der Funke-Mediengruppe – WAZ, NRZ, WR … – konnte man neulich einen großen Artikel mit der nicht unoriginellen Überschrift „Gewufft wie!“ lesen. Und grad eben liegt ein kleinerer Artikel aus dem Hellweger Anzeiger vor mir, in dem der Direktor des Museums Ostwall seinem Hund ein in dessen Höhe angebrachtes Bild „zu erklären versucht“, das in einem Kinderworkshop der Ausstellung entstanden ist. Leider scheint der Hund etwas unkonzentriert und mehr Interesse zu haben am Hosenbein des Fotographen, in dessen Richtung er mit größerer Aufmerksamkeit guckt.

  • Verlassen

    Aus Fehlern lernt man, sagt der Volksmund. Eine besondere Variante dieser Weißheit aus dem Bereich Satzbau bot neulich die sich auf Personalmeldungen im Bereich Marketing und Werbung fokussierende Online-Plattform kress.de. Hier hieß es in einer Meldung wörtlich: „maxdome hat Andreas H. verlassen, um sich neuen Herausforderungen zu widmen“. Gemeint war zwar, dass das genannte Unternehmen das Beschäftigungsverhältnis mit seinem Mitarbeiter beendet hat, und dieser nicht mehr bei dem genannten Unternehmen beschäftigt ist, gesagt wurde aber durch die etwas holprige Satzstellung auch, dass der genannte Mitarbeiter SICH nun wohl auch nicht mehr mit dem genannten Unternehmen beschäftigt. Es fiel mir wie Schuppen von den Augen: so wie er es verlassen hat, hat auch es ihn verlassen…

  • Berlinale

    Zur Berlinale gibt die Deutsche Filmversicherungsgemeinschaft, kurz DFG, eine Pressemitteilung raus, in der es interessanterweise u.a heißt, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch sei, dass bei den 400 Filmen, die im Programm zu sehen sind, in über 100 Fällen versicherungstechnisch ein Schaden zu beheben war. Es handle sich dabei allerdings nicht gleich um Millionen-Beträge, aber immerhin. So könne es schnell 80.000 Euro kosten, wenn ein Drehtag nachzuholen ist.
    mehr unter http://www.gdv.de/2015/02/einen-drehtag-nachholen-kann-schnell-80-000-euro-kosten/

  • Erkenntnistheorie

    Einer unserer Kunden, für den wir eine Medienbeobachtung machen, ist ein großer Textilhersteller. Sein Metier sind Teppiche, Decken, Gardinen, Bezüge und was man sich noch so alles vorstellen kann. Ich muss noch sagen, dass ich selbst nicht als Medienlektor arbeite, sondern nur die Ergebnisse überprüfe, die von den Lektorinnen und Lektoren als Treffer markiert und entsprechend für die Kunden „gebucht“ werden. Als im Zusammenhang mit dem besagten Textilhersteller plötzlich ein eine ganze Zeitungsseite umfassender Text über den in Heidenheim im Jahr 1867 geborenen Philosophen Heinrich Maier vor mir liegt, denke ich, dass das nur ein Lektoratsfehler sein kann. Maiers Arbeiten, so heißt es in dem Artikel der Heidenheimer Neuen Presse, bewegen sich „an der Grenze von Psychologie und Erkenntnistheorie“. Das passt ja, denke ich noch und will den Text mit einem entsprechenden Vermerk dem zuständigen Lektor zurückgeben, als mein Blick auf das untere Ende der vorletzten Spalte fällt. Hier finde ich mit Kugelschreiber eine kleine Markierung: die beiden ersten Buchstaben eines Firmennamens sind unterstrichen. Und tatsächlich arbeitete der Vater des Philosophen Ende des 19. Jahrhunderts bei „unserem“ Textilhersteller. Gut, dass ich nicht Lektor bin, denke ich noch.

  • Eigengewächs

    Seit Jahren stellen wir für einen Kunden Personalmeldungen aus der Presse zusammen. Das ist nicht unbedingt eine sehr schöpferische Tätigkeit. Gearbeitet wird vor allem nach dem Prinzip Copy und Paste. Dass schöpferisches Arbeiten in den die jeweiligen Nachrichten formulierenden Redaktionen aber nicht immer zu journalistischen Meisterwerken führt, zeigen einige Stilblüten, die der Beschränktheit des bei Personalmeldungen zur Anwendung kommenden Wortschatzes zu entfliehen bemüht sind. So lese ich heute auf der Website des Private Banking Magazins folgende Notiz: „Christian Mangartz übernimmt von Georg Albrecht die Leitung des regionalen Family Office der Hypovereinsbank für Nord-West-Deutschland. Bei Mangartz handelt es sich“ – und jetzt kommt es – „um ein Eigengewächs.“

  • Laber

    Die „Allgemeine Laber-Zeitung“ heißt wirklich so. Sie erscheint in einer Auflage von 6782 Exemplaren südlich vom bayerischen Regensburg. Es ist nicht der Inhalt, der der Zeitung den Namen gegeben hat, sondern die Region, durch die die Große Laaber und die Kleine Laaber fließen. „Große Laaber“ und „Kleine Laaber“ – folgt man Wikipedia – kann man mit einem oder mit zwei „A“ schreiben.