Lektorat und Lesegesellschaft

Johann Peter Hasenclever Lesekabinett 1843 1843 malt Johann Peter Hasenclever ein Bild mit dem Titel “Lesegesellschaft”. Man könnte meinen, dass es sich hierbei um die Darstellung des Lektorats einer kleinen Firma handelt, deren Geschäftszweck schon zur Mitte des 19. Jahrhunderts die professionelle Medienbeobachtung war.

Zu sehen sind zehn Personen; sechs sind um einen Tisch gruppiert und jeweils in die Lektüre einer Zeitung vertieft. Das Licht kommt von einer Gaslampe, die über dem Tisch hängt. Es wird von den auf dem Tisch liegenden, hellen Zeitungsseiten reflektiert. Man sieht, hier am Tisch wird aufmerksam gelesen. Im Hintergrund sieht man weitere Personen, über deren Tätigkeit man wenig sagen kann. Auch deshalb, weil sie sich mit dem spärlichen Licht begnügen müssen, das von einer Kerze stammt.

Der Eindruck, dass es sich hier um die Darstellung von Lektoren bei der professionellen Medienbeobachtung handeln könnte, täuscht. Schon deshalb, weil es sich bei allen abgebildeten Personen um Männer im fortgeschrittenen Alter handelt. Das soll nicht heißen, dass es bei der Arbeit im Lektorat besondere Altersbeschränkungen gibt, aber der Anteil jüngerer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist heutzutage deutlich höher. Richtig ist, dass das früher ja anders gewesen sein könnte. Was aber auf dem Bild vollständig fehlt, sind die Werkzeuge der Medienbeobachter und -beobachterinnen: Stifte, Schneideutensilien und Post-its.

Das, was der im nordrheinwestfälischen Remscheid 1810 geborene Johann Peter Hasenclever abbildet, ist also kein Lektorat in diesem Sinn, denn dargestellt wird eine so genannte “Lesegesellschaft”. Das sagt ja auch der Titel des Bildes. Und was eine Lesegesellschaft oder ein Lesekabinett ist, dazu heißt es bei Wikipedia: “Lesegesellschaften waren außerhalb von Staat, Kirche und ständischer Gesellschaftsordnung die verbreitetste Organisationsform im aufgeklärten 18. und frühen 19. Jahrhundert[1] und werden als eine frühe Form der Erwachsenenbildung betrachtet. (…) Lesegesellschaften waren ein wichtiges Instrument einer sich im 18. Jahrhundert teilweise geradezu rasant ausbreitenden bürgerlichen Lesekultur. Im Unterschied zur Einzellektüre und zur intensiven Wiederholungslektüre von Andachtsliteratur wurden sie von Privatleuten als Einrichtungen organisierten extensiven Lesekonsums ins Leben gerufen.”

Burkhard Heinz
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